Was sind die technischen Standards?
© Reinhild Kassing
Technische Standards
Die technischen Standards für Informations- und Kommunikationsprodukte und -dienstleistungen sind in der Euronorm EN 301 549 v2.1.2 festgelegt. Diese Norm kann kostenfrei leider nur in englischer Sprache abgerufen werden.
Für Websites und Apps sind die anzuwendenden Standards der Euronorm in Annex A, Table A.1 und Table A.2 aufgelistet. Websites umfassen dabei ausdrücklich auch alle auf einer Website veröffentlichten Dokumente, z. B. PDF oder ähnliches.
Folgende Abschnitte sind für Websites und Apps u. a. zu berücksichtigen:
- für Websites der Abschnitt 9,
- für auf Websites enthaltene Dokumente der Abschnitt 10 und
- für Apps der Abschnitt 11.
Eine wichtige Rolle in der Euronorm spielen die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1. Sowohl für Websites als auch für Apps definiert die Euronorm in vielen Abschnitten keine eigenen Maßstäbe. Die Euronorm verweist stattdessen auf die Maßstäbe der WCAG. Das Euronorm-Erfolgskriterium 9.1.1.1 „Nicht-Text-Inhalt“ verweist z. B. auf das WCAG- Erfolgskriterium 1.1.1 „Nicht-Text-Inhalt“.
Die WCAG 2.1 kann leider ebenfalls nur in englischer Sprache abgerufen werden. Die WCAG 2.0 gibt es als autorisierte deutsche Übersetzung . Die WCAG 2.0 ist weiterhin uneingeschränkt anwendbar. Sie wird durch die WCAG 2.1 lediglich um weitere Erfolgskriterien erweitert.
WCAG
Die WCAG gliedert sich in vier Prinzipien:
- Wahrnehmbar
Informationen und Bestandteile der Benutzerschnittstelle müssen den Benutzern so präsentiert werden, dass diese sie wahrnehmen können.
So wird z. B. gewährleistet, dass auch Menschen mit eingeschränktem oder ohne Seh- oder Hörvermögen eine Website benutzen können.
- Bedienbar
Bestandteile der Benutzerschnittstelle und Navigation müssen bedienbar sein.
So wird z. B. gewährleistet, dass Menschen mit eingeschränkter manueller Fähigkeit oder eingeschränkter Kraft eine Website benutzen können.
- Verständlich
Informationen und Bedienung der Benutzerschnittstelle müssen verständlich sein.
So wird z. B. gewährleistet, dass Menschen mit eingeschränkter Kognition eine Website benutzen können.
- Robust
Inhalte müssen robust genug sein, damit sie zuverlässig von einer großen Auswahl an Benutzeragenten einschließlich assistierender Techniken interpretiert werden können.
So wird z. B. gewährleistet, dass Menschen eine Website mit assistiven Technologien wie z. B. Screenreadern, Braillezeilen, Spracheingabe- oder Vergrößerungssoftware benutzen können.
Diese vier Prinzipien sind nicht nur in der WCAG sondern auch in der BITV 2.0 sowie in der EU-Richtlinie 2016/2102 die grundlegenden Prinzipien für Barrierefreiheit.
Die vier Prinzipien werden in der WCAG 2.1 in 13 Richtlinien untergliedert, diese wiederum in 78 Erfolgskriterien. Jedes Erfolgskriterium ist einer von drei Konformitätsstufen zugeordnet:
- A (niedrigste Konformität, geringstes Maß an Barrierefreiheit),
- AA (mittlere) und
- AAA (höchste).
Für die Anwendung der Euronorm und der WCAG 2.1 in Rheinland-Pfalz sind nur die 30 Erfolgskriterien der Konformitätsstufe A sowie die 20 Erfolgskriterien der Konformitätsstufe AA umzusetzen.
Ausblick
Seit Anfang 2020 existiert ein Arbeitsentwurf einer fortentwickelten WCAG 2.1, der WCAG 2.2. Parallel zu dieser Fortentwicklung ist mit der WCAG 3.0 eine vollständige Neufassung geplant. Eine gute Übersicht über die Fortentwicklungen der WCAG bietet dieser Artikel der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT).